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Besuch von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann

Am 22.03.2022 besuchte Prof. Dr. Klaus Hurrelmann den Q1-Pädagogik-LK von Herrn Friedrich. Thematisch beschäftigte sich die Gruppe mit aktuellen Themen wie beispielsweise Migration oder Corona und brachte diese in einen Kontext mit dem Modell der produktiven Realitätsverarbeitung. Einen wichtigen Teil dieser Metatheorie stellen die vier Entwicklungs-aufgaben Partizipieren, Konsumieren, Binden und Qualifizieren dar.

Als Grundlage des fachlichen Gesprächs diente dem Kurs Hurrelmanns eigene Jugendgeschichte, welche durch einschneidende krisenhafte Momente geprägt war.  

Im Austausch mit dem Kurs holte sich Klaus Hurrelmann ein konkreteres Bild der Auswirkung der Corona-Zeit auf junge Menschen ein. Die eigenen Erfahrungen während der Pandemie stellten sich als einschränkend auf die Bewältigung aller Entwicklungsaufgaben in dieser Zeit heraus. Schülerinnen und Schüler mussten sich so z.B. an einen völlig neuen Rhythmus gewöhnen, hatte weniger soziale Kontakte aber dafür einen größeren Medienkonsum. Bezogen auf die Entwicklungsaufgabe Qualifizieren konnte Herr Hurrelmann auf Basis aktueller Forschungsergebnisse berichten, dass die schulischen Leistungen bei etwa 30% der Schülerinnen und Schüler abgefallen sind, einige, vor allem ältere Schülerinnen und Schüler aus sozio-ökonomisch starken Haushalten, aber auch besser in der Schule geworden sind. Des Weiteren konnten Defizite bei der Entwicklungsaufgabe Binden erkannt werden, da sich der Ablösungsprozess von den Eltern verzögert hat. Während der Pandemie war es fast unmöglich, sich von seinen Eltern abzulösen, wodurch man abhängig von ihnen wurde und man nicht wirklich eigenständig werden konnte. Durch Corona wurde auch die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit eingeschränkt, was sich teilweise dadurch bemerkbar machte, dass sich eine Gewöhnung einstellte, keine (neuen) sozialen Kontakte zu haben. Einige Jugendliche wurden dadurch sozial irritiert und gestört und auch die Anzahl der Personen, die eine psychische Störung haben, ist durch die gesellschaftlichen Auswirkungen des Virus gestiegen. Außerdem ist der Umgang mit „Anderssein“ und der Umgang mit Konfliktsituationen durch Corona auf der Strecke geblieben. 

Laut Prof. Hurrelmann wäre es nun für die Entwicklung sinnvoll, ein Aufholprogramm zu entwickeln, damit die Einschränkungen wieder aufgeholt werden können. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass sich dieses nicht nur auf das Qualifizieren, sondern auch auf alle anderen Entwicklungsaufgaben bezieht.  

Gemeinsam mit Herrn Hurrelmann erörterte der Kurs auch die Auswirkung von Migration auf die Entwicklungsaufgaben. Hierbei muss generell gesagt werden, dass die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben unabhängig von der Herkunft stattfindet. Als große Herausforderung stellte sich der starke Einfluss des Elternhauses auf die Entwicklung ihrer Kinder heraus. Beispielsweise sollten Kinder in den Kindergarten etc. gehen, um sich von ihren Eltern abzulösen und neue Bindungen herzustellen, damit sie im späteren Leben Beziehungen und Freundschaften aufbauen, erhalten und selbstständig und mündig sein können.  

Hierbei problematisierten Kurs und Experte die Bedeutung des sozio-ökonomischen Hintergrunds auf die Entwicklung. Denn Hurrelmann zufolge würden beim Schulwechsel auf die weiterführende Schule Bildungschancen immer noch sehr stark vom sozioökonomischen Status der Kernfamilie abhängig seien; dass also Menschen mit einem geringeren sozioökonomischen Status systematisch vom Bildungssystem benachteiligt würden. Demnach würden Kinder aus einkommensstärkeren Familien eher auf Gymnasien geschickt. Dabei werde nicht unbedingt auf Leistungen geachtet. Diese Kinder erhielten eine deutlich höhere Bildung und entwickelten sich dementsprechend auch anders. 

Herr Hurrelmann erklärte sehr anschaulich, wie das Aufwachsen in einem Migrationshaushalt ohne Unterstützung der Eltern durch sorgfältiges Aufrechterhalten oder Sprechen der Sprache zu verschiedenen Problemen und Komplikationen bei der Entwicklung des Kindes führen könne. Problematisch werde es, wenn die Sprache des Integrationslandes zu wenig gefördert wird. Es könne dem Kind schwerfallen z.B. in der Schule Anschluss zu finden. Hurrelmann beschrieb letztlich, dass Integration ebenfalls große Mühe machen würde und dabei sei der Spracherwerb eben ein entscheidender Faktor, der gefördert werden müsse. 

Ein weiterer Aspekt im Gespräch lag auf der geschlechterspezifischen Dimension bezüglich Bildung und Erziehung im Kindesalter. Auch in der heutigen Gesellschaft sind Stereotype noch stark vertreten und haben einen enormen Einfluss auf das Verhalten der Geschlechter und der damit verbundenen Sozialisation. Dies wurde von Herrn Hurrelmann nochmals erläutert. So bezieht er sich zu Beginn auf Studien, die belegen, dass Schüler im Durchschnitt schlechtere schulische Leistungen erbringen, wohingegen die Leistungsqualität der Schülerrinnen im Laufe der Historie immer weiter gestiegen ist. Im Zuge dessen haben wir den Ursprung dieser Beobachtung hinterfragt und sind zu dem Schluss gekommen, dass dies mit den Stereotypen, die den Geschlechtern von der Gesellschaft zugeschrieben werden, zusammenhängt.  Zusammen mit dem Experten stellte der Kurs heraus, dass Männer oft die Grundeinstellung haben, sie müssen sich nicht Qualifizieren und in ihre Bildung investieren, da Sie im Endeffekt sowieso an ihr Ziel kommen. Die Feststellung, dass man als Frau, genauso viel erreichen kann wie ein Mann, hat dazu geführt, dass das weibliche Geschlecht mehr in Bildung investiert.  Mehr Transparenz, sowie ein deutlicherer Tonfall seien von enormer Bedeutung, um männliche Personen zur Leistungsbereitschaft zu animieren, damit diese mehr und angemessener in ihre Bildung investieren. Laut Prof. Dr. Klaus Hurrelmann sollte es mehr männliche Vorbilder in Bildungseinrichtungen geben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Pädagogik LK eine sehr produktive und realitätsverarbeitende Zeit mit Herrn Hurrelmann hatte. Herr Hurrelmann war sehr realitätsnah und ging detailliert auf zahlreichen Fragen ein. Er arbeitete viel mit Beispielen aus dem Alltag von Schülerinnen und Schülern und bezog den Kurs stets

mit ein. Durch seine humorvolle Art fand er schnell einen Zugang zum Kurs, so dass ein fachlicher Diskurs auf Augenhöhe stattfinden konnte. Einen großen Dank hierfür an Herrn Hurrelmann, dass er sich so viel Zeit für uns genommen hat! 

 

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